Es war einmal ein kühner Recke, der
gegen das Böse zu Felde zog. Er war ein gnomenhafter Hühne, mit
blank poliertem Kopf, auf dem ein einziges Haar sprießte, dick und
hart wie ein Baumstamm. Daran hißte der kühne Recke jeden morgen
seine Hausflagge und stand vor sich selber stramm, den Defiliermarsch pfeifend.
Dann intonierte er vor seinem Reichsvolk seinen allmorgendlichen grauen-
und furchterregenden Kampf- und Schlachtruf " F..., F..., F... !" Er wünschte
sich ein großes Staatsvolk, da sein Reich noch nicht das größte
der Welt war. Es sollte aber das größte sein, das war Fakt. Sein
Staatsvolk machte einen tiefen Diener, begab sich darauf an sein Tagewerk
und tat wie ihm geheißen. Das gefiel dem kleinen großen Recken,
der sich nun an sein eigenes Tagewerk machte, sein Volk zu regieren und böse
Drachen zu verjagen.
Diese bösen Drachen traten ihm alltäglich das große
Maul aufreißend entgegen in der merkwürdigen Form kleiner Tiere,
weiß, glatt, ebenmäßig geformt, mit riesigen Mäulern,
die größer schienen wie ihre Körper, deren Beine kaum zu
bemerken waren. Kleine Menschen konnten diese Drachen leicht verschlucken
in einem Stück. Manche dieser Drachen hausten nicht am Boden, sondern
saßen auf Stangen und Ästen an den Wänden. Panische Furcht
überfiel den gewaltigen Recken vor diesen Drachen, und er sah es als
himmlischen Befehl an, diese Drachen zu töten und die Welt von ihnen
zu säubern. Es hatte hunderttausende an der Zahl von ihnen allüberall.
Selbst wenn der heilige Recke im geheimen Kämmerlein über dem Loch
im Boden hockte und über sein Tagewerk sinnierte, packte ihn die eisige
Furcht, ein solcher Drache könne zur Tür hereinkommen und ihn verschlingen.
Dann sprang er auf, rief seinen grauenerregenden Schlachtruf und vertrieb
die Drachen im Geiste, die dann sofort die Flucht antraten. Er sah es vor
seinem inneren Auge, wie Ströme der bösen Drachen die Straßen
füllten, zum Meer wanderten, sich von den Klippen stürzen, um jämmerlich
in der Brandung zu zerschellen, und alles war wieder gut.
Nun gab es aber im Leben solche Drachen wirklich, und so schickte
er seine Agenten und Häscher aus, welche die Lande durchkämmten,
um alle Drachen dingfest zu machen, damit der Recke sie belagern und vernichten
könne. Sie wurden fündig in so großer Zahl, daß der
Recke mehr Drachen zu erlegen hatte als sein Leben Stunden zählte. Daher
stand er vor der furchtbaren Aufgabe, sich seine Drachen selber aussuchen
zu müssen. Also fing er mit den kleinen harmlosen Drachen an, da er
hoffte, diese am schnellsten zu erlegen, da er den geringsten Widerstand
erwartete. Die meisten Drachen ergaben sich freiwllig und schlichen mit hängenden
Lefzen still und trübe von dannen, voller Furcht, von kühnen Recken
erschlagen zu werden. So wuchs der bei den Drachen Angst und Schrecken erweckende
Name des Recken ins unermeßliche gigantische, und schon die bloße
Ankündigung "der Recke kommt" versetzte die Drachenschaar in Panik und
wilde Flucht. Das gefiel dem kleinen Recken wohl und er freute sich, daß
sein gigantischer Name genügte, die Drachen zu vertreiben, ohne daß
er ihnen noch selbst Auge in Auge gegenüber treten mußte. Das
tat seiner furchsamen Seele wohl.
Da trat eines morgens der Haushofmeister an ihn heran und sagte:
"kühner Recke, dur vertreibst in einer unerreichten Größe
deine bösen Feinde, die weißen glatten Draschen mit den großen
Mäulern, denen wir nicht so furchtsamen, weil einfachen und dummen Bürger,
die wir die große Gefahr nicht erkennen können wie Du, einfach
wohlgemut ins Maul scheißen, wenn wir sie sehen. Aber das kannst du
noch steigern. Suche einige harmlose Drachen aus und lasse sie am Leben,
wenn sie einen Obolus entrichten, denke an deine Kasse, die kann immer Hilfe
vertragen. Deine Macht ist so groß, daß sich kein Drache erkühnen
wird, dir deinen Obolus zu verweigern". Der Recke dachte nach. "Du hast recht,
Haushofmeister; lasse verkünden, daß alle Drachen, die einen Obolus
zahlen, weiter im Reiche leben dürfen. Wenn sie nicht mehr zahlen können
haben wir einen trefflichen Grund, sie dann aus dem Lande zu jagen." "Wie
immer ist dein Geist der Glanz des Reiches" säuselte der Haushofmeister
und schlich gebeugten Rückens rückwärts davon.
Gemacht, getan, nunmehr zahlten die Drachen, das sie geduldet
wurden, und alles schien gut, denn sie wurden dennoch vertrieben, wenn sie
aufmuckten oder nicht zahlen konnten. Dann schlug ihnen der Recke die Häpter
ab.
Warum hatte der Recke Furcht vor diesen bösen Drachen? Er
dachte: diese bösen Drachen vertilgen den Unrat und stinken, damit kann
und darf der makellose Glanz des Reichs nicht befleckt werden. Es wäre
ein böses Omen, wenn das Reich in den Ruch käme, stinkende Drachen
könnten ein eigenes Reich in seinem Reich errichten und den hellen strahlenden
Glanz des Reichs mit Unflat besudeln und trüben. Es ging also um die
Reichsraison. Außerden brauchte er Geld, und jeder stinkende Drache
war ein Konkurrent um den Anteil an der Macht und der Staatseinnahmen. So
war es dem kleinen großen Recken gerade recht, daß diese weißen
glänzenden Drachen, die jeden Tag mehrmals gebadet wurden, so erbärmlich
ob ihrer Drachengeschäfte zum Himmel stanken, daß er das Reich
von ihnen zu säubern hatte als himmlichen Auftrag zum Wohle seines eigenen
Reichs und seiner Raichskasse.
Da trat wieder der Haushofmeister zu ihm "mein hoher Recke, denke
nach. Du läßt zahlende Drachen in deinem Reiche leben. das Volk
erkennt sie am Namen und ist verwirrt, weil einige Drachen leben dürfen
und andere nicht. Das Volk beuruhigt sich darob und ist erzürnt. Wir
sollten den Namen der Drachen aus unserer Sprache tilgen und sie auslöschen."
"Wie das, Haushofmeister?" "Höre, großer unerreichter Recke, der
Name Drache ist nicht Teil unserer Reichssprache, sondern ausländisch,
und darf darum nicht mehr verwendet werden." "Das ist eine kluge Idee, Haushofmeister,
du erhälst dafür den großen Verdienstorden am güldenen
Bande!" "Erlauchter Recke, den habe ich schon dreimal bekommen!" "Macht nichts,
mehr gibt es nicht!" So ging der Reichserlauß aus, unterschrieben von
den höchsten Richtern des Reichs, dass das Wort Drache verboten sei,
weil es ausländisch sei, und niemand mehr den Drachen beim Namen nennen
dürfe.
Daruf wurden die Bürger erneut beunruhigt und sammelten sich
vor dem Schlosse und schickten eine Abordnung zum großen Recken, der
die Bürger überrascht, aber gnädig empfing und Audienz gewährte.
"Hoher Herr, wir sind verwirrt und wissen nicht mehr, wie wir unsere Drachen
nennen sollen, die uns lieb geworden sind, weil sie uns gute Dienste leisten.
Wir haben nie verstanden, warum ihr sie verjagt. Sage uns, was wir tun sollen."
"Ihr Bürger höret höret, ich befehle euch, den Namen Drachen
niemals wieder in meiner Gegenwart und der Gegenwart meiner Büttel auszusprechen
sonst werfe ich euch in das finstere Loch!" "Aber....", "Höre, mein
Volk! Diese Drachen besudeln unser Land, sie stehlen unsere Reichtümer,
sie besudeln unsere Ehre. Das ist Hochverrat. Diese Übeltiere sind gemeine
Verräter. Sie werden daher aus der Geschichte des Reichs getilgt. Die
ich leben lasse nennt Gänseblümchen, das ist mir recht. Die Audienz
ist beendet." Betreten schlichen die Bürger von dannen, zerschlugen
selbst die noch verbliebenen Drachen und gruben sich tiefe Löcher. Das
stank nun zum Himmel, und alle wunderten sich.
Den Recken focht das nicht an. Er stellte eine Armee von Soldaten
und Schreibern auf an den Reichsgrenzen und ließ jeden Drachen vertreiben,
der an der Grenze aufgegriffen wurde. Nach kurzer Zeit nahm die Belästigung
der Drachen ab, da alle das Reich mieden, vor allem jene, die gern weiße,
saubere Drachen in der Nähe hatten für die Drachengeschäfte.
Und so wurde es einsam um den Recken, und seine Reichtümer schmolzen
dahin wie die Butter in der Sonne, und sein Reich verfiel, weil niemand mehr
den Recken verstand, der sich grämte, daß sich nun auch der Himmel
abgewendet hätte. So rief er eines morgens den Haushofmeister. "Gib
deine Orden her, wir müssen etwas zu Geld machen, um Essen zu kaufen".
"Wer soll die uns abkaufen, es kommt doch keiner mehr her?" Da klopfte es
an der Tür: "Herein" rief matt der einmsl so stolze Recke: Die
Tür öffnete sich und ein weißer, gewaschener Drache stand
vor ihm. "Höre Recke, mein König schickt mich, deine Orden aufzukaufen
gegen einen roten Heller, nicht mehr." "Warum das?" "Der Hofnarr unseres
Königs hat darum gebeten". So war das schöne glänzende Reich
noch einen roten Heller wert, nachdem alle Drachen vertrieben waren und ihn
das eigene Volk nicht mehr verstand. "Höre Drache, wie heißt Du
eigentlich?" fragte nachdenklich geworden und verbittert, mit den Zähnen
knirschend der hohe Recke. "Tausendschön." "Warum das?" "Edler Recke,
wie ich, wie wir heißen ist doch vollkommen egal. Jeder weiß,
daß wir die Drachen sind, ob wir Tausendschön, Schnudelwitz, Wurpelmitz,
Hans-Herbert oder sonstwie heißen, darauf kommt es nicht an. Wir sind
und bleiben die Drachen, jetzt und immerdar. Daran wirst Du nichts ändern,
und wenn du das innerste der Welt nach außen kehrst. Jedes reich, jedes
Volk hat und braucht seine Drachen, die ihm heimleuchten, den Weg zeigen
und - mit Verlaub - den Mist aufräumen, damit das Reich glänzen
und strahlen kann. Die Recken kommen und gehen, die Drachen aber bleiben
bestehen, wie immer sie genannt werden. Man wird sie immer erkennen und niemals
austilgen können, nirgendwo".
Da sank der Recke auf seinem Thron zusammen, und seine Hofschranzen
trogen ihn im Schloß herum, und alle betranken sich fürchterlich.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so wandern sie noch immer herum und saufen
sich die Hucke voll. Allerdings gab es einen Wirtschaftszweig im Reich, der
blüht wie nie nach dem Abzug der Drachen: die Hersteller der Nasenklammern.
Nun bittet der Recke jeden Tag darum, daß neue Drachen wachsen, damit
er sie wieder vertreiben und Nasenklammern verkaufen kann, davon träumt
er in der Ruhe und Abgeschiedenheit seiner weich gepolsterten königlichen
Kammer, wärend draußen die betrunkenen Hofschranzen um ihre Anteile
am Geschäft mit den Nasenklammern balgen.